Sonntagsspiele, das gemeinsame Bier nach dem Training, Mannschaftsabende und Sommerturniere. So stellen wir uns den Amateurfußball vor. Doch die schönste Nebensache der Welt scheint immer mehr Probleme auf und neben dem Platz zu entwickeln. Verliert unser geliebter Sport seinen Glanz? In den folgenden Wochen wird sich KICK.TV jeden Dienstag mit vier konkreten Herausforderungen auseinandersetzen, mit denen der deutschen Amateurfußball zu kämpfen hat. Dazu befragen wir Spieler, Trainer und Funktionäre, bieten konkrete Zahlenbeispiele und schauen gemeinsam mit euch hinter die Kulissen der deutschen Vereine und Amateurklassen. Teil 1: Das Ehrenamt

Herausforderung 1: Das Ehrenamt – Fundament des Amateurfußballs

Wochenende: Anstoß auf bis zu 80.000 deutschen Amateurplätzen. Während gerade die Heimelf spielt, ist man entweder mit von der Partie oder hat in der einen Hand die heiße Bratwurst und in der anderen das kalte Bier. So schön kann das Leben an einem freien Nachmittag sein. Doch wieviel Aufwand betrieben wird, um einen solch entspannten Spieltag zu gewährleisten, ist vielen nicht klar. Im ersten Artikel dieser Reihe nehmen wir das Ehrenamt genauer ins Visier. Wir beleuchten die allgemeine Situation und untersuchen Probleme, wie die fehlende Wertschätzung oder den Rückgang der ehrenamtlichen Helfer und betrachten Hilfsmaßnahmen des DFB. Schließlich ist der Amateurfußball das Fundament des deutschen Fußballs, ohne ihn gäbe es keine jungen Nachwuchsfußballer oder Trainertalente. Ohne die Basis gibt es auch keine Entwicklungsmöglichkeiten. Allerdings baut das Ehrenamt stetig ab und die Notlage vieler Vereine wird immer größer…

Allgemeine Situation – 1,7 Millionen Ehrenamtler im deutschen Fußball

„Zweck und Aufgabe des DFB ist es insbesondere, das Ehrenamt zu pflegen und zu fördern“, heißt es in § 4 der Satzung des Deutschen Fußball Bundes. Aber wieso ist das Ehrenamt so fest verankert, wenn es doch eigentlich auf freiwilliger Basis beruhen sollte? Zum einen ist der Fußball in seiner Vielfalt ohne Ehrenamtliche nicht umzusetzen und zum anderen sind eben auch hohe Positionen im DFB ehrenamtlich besetzt. Höchster deutscher Ehrenamtler im Fußball ist der DFB-Präsident, seit dem 11.3.2022 ist dies Bernd Neuendorf. Er möchte erreichen, dass „der Fußball wieder im Mittelpunkt steht“ und, „dass wieder Ruhe im Verband einkehrt“. Einschließlich des neuen DFB-Präsidenten sind in Deutschland insgesamt 1,7 Millionen Menschen ehrenamtlich im Fußballgeschäft tätig.

Am 5. Dezember jeden Jahres findet der „Tag des Ehrenamts“ statt, welcher sich zur Aufgabe gemacht hat, eine bessere Wertschätzungskultur zu schaffen. Allerdings seien, auch durch die Pandemie, die bürokratischen und sozialen Hürden in den letzten Jahren immer größer geworden, weswegen der Einstieg ins Ehrenamt deutlich schwieriger geworden ist. Doch bevor wir uns auftretenden Problem widmen, stellen wir uns erstmal die Frage: Was genau sind eigentlich die Aufgaben von Ehrenamtlichen in ihren jeweiligen Herzensvereinen?

Wo das Ehrenamt gefordert ist

Schaut man sich an, welche Positionen in einem Verein unersetzlich sind, dann denkt man an Spieler, Trainer oder die Vereinsführung. Denn welcher Fußballverein kann ohne eine dieser drei Positionen schon existieren? Keiner! Schaut man jedoch genauer in den Alltag eines Vereins fällt auf, dass doch deutlich mehr Aufgaben anfallen, als die der Trainer und Spieler. Von alltäglichen Aufgaben wie Trikots und Leibchen waschen, Bier kalt stellen, Würstchen kaufen und grillen, den Platz nach jedem Spieltag aufräumen und für den nächsten vorbereiten, Mülltonnen rausstellen und so weiter, bekommt der Spieler und auch der Fan im besten Falle nichts mit. Dafür war immer gesorgt.

So soll es bei Spielen, Fußballcamps und Events aussehen. Ohne die über 1,7 Millionen Ehrenamtler wäre das aber gar nicht möglich.

Vereine suchen alternative Wege

Doch seit Jahren scheint auch das Erledigen dieser Aufgaben nicht mehr selbstverständlich zu sein. Thorsten Lang, Vorsitzender und Trainer eines hessischen Verbandsligisten, installierte mittlerweile einen bezahlten Vereinsheimbeauftragten, der sich um die meisten der oben genannten Aufgaben „und um vieles mehr“ kümmere. Da immer weniger ehrenamtliche Helfer aktiv seien, müsse der Verein so handeln, um den „aktiven Spielbetrieb weiterhin reibungslos durchführen zu können“, so Lang, der auch für die sportliche Leitung zuständig ist, gegenüber KICK.TV. Die Lage war schon vorher schlecht, allerdings „hat sich durch die Pandemie die Anzahl an Ehrenamtlichen in unserem Verein weiter verringert“, bilanziert er. Leider sei es anders nicht mehr umsetzbar, weswegen sein Verein, die SpVgg Eltville, einen „anderen Weg“ eingeschlagen hat, um den geliebten Sport weiterhin attraktiv zu gestalten. Neben dem bezahlten Vereinsheimbeauftragten werden auch viele Trainer, vom Jugendbereich bis hoch zu den Senioren, finanziell entlohnt.

Damit der Ball regelmäßig rollt, sind die Ehrenamtlichen gefordert.

Immer mehr Ehrenamtliche ziehen sich zurück

Doch neben den alltäglichen Aufgaben im und um das Vereinsheim gibt es noch weitere offene Stellen. Schließlich braucht ein jeder Verein auch einen Vorstand, in dem unterschiedlichste Rollen bekleidet werden. Es gibt einen Vorsitzenden, einen Jugendleiter, einen Kassierer, Zeugwarte und im besten Fall für jede Position noch einen Stellvertreter. In vielen Vereinen gibt es außerdem noch deutlich mehr Ämter, die es zu besetzen gilt. Oft werden diese Positionen ehrenamtlich und freiwillig ausgeübt. Darüber hinaus bieten viele Vereine auch Hallenturniere, Schnuppertage, Sommercamps und Infoabende an. Diese sind elementar für die Neuanwerbung von Spielern und Spielerinnen und scheinen auch finanziell nicht ganz unerheblich zu sein. Thorsten Lang gab an, durch solche Sonderveranstaltungen knapp 15% der Jahreseinnahmen zu verdienen. Doch auch hier müssen die Ehrenamtlichen anpacken, Kisten schleppen, Kuchen backen, Nudeln kochen oder Tombolas füllen.

Zu wenig Wertschätzung, zu viel Fokus auf sportlichen Erfolg

Kerstin Tischler, ehemaliges ehrenamtliches Vorstandsmitglied eines heutigen Verbandsligavereins, beschreibt gegenüber KICK.TV ihre Aufgaben innerhalb des Vereins als sehr vielseitig und abwechslungsreich. Zu ihren Aufgaben zählte die Organisation von Vorstandssitzungen, sowie die Planung von Verpflegung und Schichteinteilung an den Spieltagen der Jugend. Darüber hinaus habe sie in den Fußballcamps sowohl Planung, Kommunikation als auch die Verpflegung der Kinder und Jugendlichen übernommen. Ihre Gründe, das Ehrenamt im Verein aufzugeben, seien eher darauf zurück zu führen, dass der Verein zunehmend weniger Fokus auf den Breitensport, als viel mehr auf die Außenwirkung und den sportlichen Erfolg legte. Zu wenig Wertschätzung spielte dabei zum Ende hin auch einer immer größere Rolle, die „Verschiebung des Hauptaugenmerks auf die Leistung der aktiven Herrenmannschaft ging einher mit einem zu großen Selbstverständnis gegenüber den Ehrenamtlichen“, so Tischler. Zeitgleich zum Austritt Tischlers haben mehrere Ehrenamtliche den Verein verlassen.

Vorbereitungsturniere bereiten immer viel Freude und spülen Geld in die Vereinskassen.

Wie zu sehen ist, fallen in jedem Verein viele Aufgaben an, die fast ausschließlich von Ehrenamtlichen erledigt werden. Dabei sind es in dem einen Verein mehr, in dem anderen Verein weniger Aufgaben, die nicht in den Aufgabenbereich der Spieler und Trainer fallen. Wobei letztere in den meisten Fällen ebenfalls ehrenamtlich engagiert sind und auch außerhalb ihres Aufgabenbereichs mithelfen.

Warum ist das Ehrenamt zur Problemzone geworden?

Ehrenamtliche setzen sich für ihren Verein aus Liebe und Treue ein. Jedoch scheint sich in den letzten Jahren eine Art Selbstverständlichkeit eingeschlichen zu haben. Sie werden gesehen wie Arbeitnehmer, die für einen gewissen Bereich zuständig und doch einfach ersetzbar sind. Und genau dann stößt der deutsche Amateurfußball auf ein Problem. Denn einen Verein ohne das Ehrenamt zu stemmen, ist nahezu unmöglich.

Anforderungen steigen immer weiter

Auch die Anforderung an die Ehrenamtlichen gestiegen. Der Fußball an sich ist mittlerweile viel mehr als nur ein Zeitvertreib, sondern ein Ort, an dem viele kulturelle und soziale Ungerechtigkeiten nicht sichtbar sind und ein Ort, an dem junge Heranwachsende sich nicht nur sportlich weiterentwickeln.

Auch der Sport selbst ist deutlich versierter geworden. E-Jugendtrainer sind mit Taktiktafeln ausgestattet und Kreisligamannschaften trainieren dreimal pro Woche. Der Fußball ist eben anders als früher. Es wird mehr erwartet von Spielern und Trainern. Taktisch, menschlich, pädagogisch. Und dabei sind Trainer meist unerfahrene ehemalige Kicker, Väter oder Mütter, die ihre freie Zeit opfern und sich nach einem langen Arbeitstag noch auf die Sportplätze stellen und ihren Teil beitragen. Wenn diese engagierten Menschen dann immer mehr gedrängt werden sich neues Wissen anzueignen, Schulungen zu besuchen und Trainerscheine zu machen, stößt das Ehrenamt an seine Grenzen. Schließlich ist es etwas, was man gerne neben dem normalen Alltag macht und kein Vollzeitberuf – zumal er kaum bis gar nicht vergütet wird.

Am Beispiel von Eltville sieht man allerdings, wie sich Vereine langsam aber sicher vom Ehrenamt wegbewegen und tiefer in die Tasche greifen müssen, um den Trainings- und Spielbetrieb auch in seiner Vielfalt und Qualität aufrecht erhalten zu können. Es geht eben nicht nur ums Würstchen grillen und Bälle aufpumpen…

Studie des DFB – Das Ehrenamt in Zahlen

Der deutsche Fußball-Bund hat im Jahr 2020 eine umfangreiche Studie über die aktuelle Situation des Amateurfußballs und des damit verbundenen Ehrenamts in die Wege geleitet. An jedem Wochenende finden demnach bundesweit bis zu 80.000 Amateurspiele statt. Für all diese Spiele braucht es ehrenamtliche Helfer!

Zu den vielen ehrenamtlichen Trainern und Vorstandsmitgliedern kommen eben auch weitere 1,25 Millionen freiwillig Engagierte für die Vereinsarbeit dazu. Durch viele weitere Fakten und Zahlen bestätigt der DFB weiterhin den Stellenwert vom Ehrenamt im deutschen Amateursport, der auch wirtschaftlich einen wichtigen Faktor für die Bundesrepublik darstellt. Um diese Zahlen auch nach der Pandemie aktualisieren zu können, sei bereits eine nächste Studie für die Spielzeit 2022/23 vorgesehen.

Maßnahmen des DFB

Unter dem Dach der „Aktion Ehrenamt“ hat der Deutsche Fußball Bund einige Projekte in die Wege geleitet, um das Ehrenamt besser zu unterstützen und für eine höhere Anerkennungskultur zu sorgen. Bereits 1998 hat der DFB den „Club 100“ ins Leben gerufen, einen Club der zur Anerkennung des Ehrenamts dient. Jedes Jahr werden seitdem 100 deutsche Ehrenamtler auserwählt, die dann für ein Jahr in den Club aufgenommen werden. Zusätzlich wird jeder der 100 zu Ehrenden mit einer Begleitperson zu einer Veranstaltung eingeladen, bekommt eine Urkunde überreicht und darf ein Spiel der Nationalmannschaft besuchen. Das Mindeste, wenn es nach den Ehrenamtlichen geht.

Besondere Wertschätzung sollen zumindest einige durch diese Ehrung erhalten.

Eine weitere Maßnahme ist die sogenannte Ehrenamtspauschale, die es den Vereinen erlaubt, ihre Ehrenamtlichen steuerfrei zu entschädigen. Dabei wird eine Art Aufwandsentschädigung gezahlt, die zum einen als Anerkennung und zum anderen als Dankeschön an die Engagierten dient. Diese ausgezahlte Pauschale muss steuerlich nicht geltend gemacht werden, darf allerdings auch den Betrag von 840 Euro pro Jahr (Stand 2021) nicht überschreiten.

Mehr Unterstützung durch „Clubberater“

Darüber hinaus hat der Verband 2017 das Pilotprojekt „Clubberater“ gestartet, welches zur Kommunikation zwischen Verein und Verband dienen soll. Im Rahmen des Projekts sind geschulte Profis im Auftrag des DFB unterwegs in Vereinen, die Hilfe anfordern. Dabei gehe es um Unterstützung in Form von Know-How, der Bewältigung von organisatorischen Aufgaben und Beratung zu allen Themen außerhalb des Fußballplatzes (Vereinsentwicklung, Qualifizierung, Soziales, etc.).

Das Ehrenamt – „Fundament des Amateurfußballs“

Der DFB ist nach wie vor der Überzeugung: „Das ehrenamtliche Engagement ist und bleibt das Fundament im deutschen Amateurfußball“, so Jochen Breideband, Teamleiter Kommunikationsmanagement beim DFB, gegenüber KICK.TV. Der Fußballbund versuchte also, mit unterschiedlichen Ideen den Amateurfußball zu stärken und das Ehrenamt zu unterstützen. Trotzdem scheint der Negativtrend kein Ende zu nehmen. In Zukunft werde man vor allem auf die Neuanwerbung von Ehrenamtlichen setzen, da jene nach der Corona-Pandemie erstmal wieder überzeugt werden müssen.

Digitale Lösungen als Idee für die Zukunft

Gerade jetzt ist dies so wichtig wie selten zuvor, weswegen sich mehr und mehr digitale Lösungen auf dem Markt etablieren. Beispiel hierfür ist die „FlexHeroApp“, in der Vereine ihre Projekte und Events posten, und so nach potenziellen ehrenamtlichen Helfern suchen können. Besonders durch die Pandemie, in der sich mehr und mehr digitale Lösungen durchgesetzt haben, scheint die Tür offen zu stehen für neue, moderne und eben digitale Ideen rund um das Ehrenamt, damit alle zusammen weiter Spaß an unserem geliebten Amateurfußball haben können. Im Mittelpunkt muss das Miteinander stehen. Die Liebe zum Verein reicht oft nicht mehr aus, wenn zu wenig Wertschätzung und Vertrauen da ist. Die Klubs müssen zusammenrücken und Ehrenamtlern ein positives Umfeld bieten können!

Vereint auf und neben dem Platz – das soll die Zukunft sein!

Nächste Woche geht es weiter

In der folgenden Woche erscheint Teil zwei unserer Reihe „Der Amateurfußball und seine Herausforderungen“, in dem wir uns mit der Thematik Geld und Bezahlung im Amateurfußball beschäftigen. Wenn ihr diesen und weitere Artikel rund um die Herausforderungen für den echten Fußball nicht verpassen wollt, bleibt mit KICK.TV dran. Darüber hinaus versorgt die größte deutsche Videoplattform für den Amateurfußball dich wöchentlich mit den geilsten Spielen und Geschichten. Egal ob Kreisliga-Derbys am Sonntagnachmittag, Pokalfights unter Flutlicht oder Regionalliga-Kracher. Wir sind dabei. Du auch?