Jugendliche Fußballer mit Talent und Ehrgeiz haben in Deutschland gute Förderungs-Chancen. Fußballinternate, Sichtungstrainings und Leistungszentren sind Orte, an denen sich die Nachwuchskicker weiterentwickeln und zum Profi reifen können. Doch nicht für jeden geht der Kindheitstraum Fußballprofi in Erfüllung. Nur 1500 von rund 3 Millionen Fußballern in Deutschland verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Sport. Viele Jugendliche, die es versuchen, können mit dem hohen Druck und der riesigen Konkurrenz schlicht nicht umgehen. In Teil drei unserer Reihe „Der Amateurfußball und seine Herausforderungen“ wird die Nachwuchsförderung in Deutschland genauer betrachtet. Wie groß ist der Druck in den Leistungszentren wirklich, welche Auswirkungen hat die schon frühe professionelle Förderung von Jugendlichen auf den Amateurfußball und wie gehen die Spieler mit den großen Erwartungen um? Wir betrachten unterschiedliche Förderungsmethoden und neue Ansätze in der Talentförderung.

Herausforderung 3: Die Nachwuchsförderung – 300.000 Euro für einen Teenager!

Der FC Bayern München verpflichtet einen 13-jährigen Spieler für 300.000 Euro! Nachrichten wie diese schockieren die Fußballwelt schon kaum noch. Ist es aber angemessen, für einen Spieler in diesem Alter schon so viel Geld zu bezahlen und ihn damit in eine immense Drucksituation zu versetzen? Der gesunde Menschenverstand sagt: Nein. Doch auch außerhalb der großen deutschen Vereine, in unserem geliebten Amateurfußball, beginnt die Talentförderung schon sehr früh. Dabei sind Nachwuchsleistungszentren, U-Nationalmannschaften und Stützpunkttrainings die Hauptförderungsbereiche des DFB.

Viele Talente wechseln schon früh den Verein, hin in ein NLZ oder einen sportlich ambitionierten Verein und verlassen ihre Heimatklubs. Dies führt dazu, dass kleine Amateurvereine sich sportlich nicht optimal weiterentwickeln können und immer wieder Rückschläge erleiden. Die jungen ambitionierten Spieler werden jedoch oft in den Zentren fallengelassen und kehren in den Heimatverein zurück. Droht dadurch die Konsequenz, dass ein Spieler, der es nicht geschafft hat, nun enttäuscht ist, wieder im Heimatverein zu kicken? Hier muss klar werden, dass die Talentförderung eine Chance ist und dennoch ein vermeintliches Scheitern nicht das Ende der Karriere. Viele Nachwuchsspieler entscheiden sich sogar freiwillig für den „Rückschritt“. Und doch verlieren Vereine immer früher ihre Spieler und Talente und haben kaum Argumente, um sie noch einige Zeit zu halten. Der Gedanke an Zusammenhalt und Vereinstreue scheint für manche auszusterben, vielen geht es um das ganz große Ziel Profifußball und nicht mehr um das gemeinsame Bier nach einem dreckigen Sieg auf Asche.

Der Traum von jedem jungen Kicker: Fußballprofi

Jeder Spieler, der in jungen Jahren im Amateurfußball gespielt hat, hatte einen Traum: Fußballprofi werden. Champions League und Weltmeisterschaft spielen, Millionen verdienen und in den schönsten Stadien der Welt performen. Viele wollen einmal dahinkommen, wo Messi, Ronaldo und Co. schon sind. Doch das gelingt nur den wenigsten. Die meisten der deutschen Amateurkicker bleiben auch Amateure. Und das ist auch gut so.

Um jedoch den Sprung in den professionellen Fußball zu machen, führt nahezu kein Weg an einem Nachwuchsleistungszentrum vorbei. Davon gibt es in Deutschland aktuell 56 Stück. Jeder Verein der Bundesliga und der zweiten Liga muss, laut DFB, ein solches Zentrum vorweisen. Wie groß es jeweils ist und wie gut ausgebaut, entscheiden die Vereine größtenteils selbst. Wobei die Anforderungen des DFB regelmäßig steigen. Regelungen rund um Mitarbeiter und die Modernität des Zentrums zwingen einzelne Vereine ihre NLZ´s zu schließen, wie zuletzt in Oberhausen. Laut Verein koste die Unterhaltung pro Saison bis zu 650.000 Euro, was nicht mehr vertretbar sei.

NLZ als Schnittstelle zum Profisport

Wer in einem NLZ landet, befindet sich in einer Zwischenstufe zum bezahlten Sport. Insgesamt werden deutschlandweit laut DFL durchschnittlich ca. 5600 junge Talente zeitgleich in den Leistungszentren ausgebildet. Hier wird eine deutlich intensivere Trainingsmentalität an den Tag gelegt und auch auf Fitness und Ernährung geachtet. Die Trainer und Betreuer sind in Nachwuchszentren zudem im Regelfall besser ausgebildet als im Dorfverein um die Ecke und fordern deutlich mehr. Für viele Spieler ist das eine Umgewöhnung und nur die wenigsten können sich dauerhaft durchsetzen und den Sprung schaffen.

Auch der komplette Umzug an einen Campus oder in ein Sportinternat ist möglich. Dann werden die Spieler auch dort unterrichtet und haben die Möglichkeit an Hausaufgabenbetreuungen teilzunehmen. Doch in jungen Jahren verlassen Kinder ungern ihre Familien. Deswegen bieten verschiedene Vereine Mischlösungen an, in denen individuell entschieden wird, wieviel Zeit die Spieler am Campus verbringen und wieviel zu Hause.

Weitere Möglichkeiten des DFB

Der deutsche Fußballbund bietet drei Bereiche zur Talentförderung an. Zum einen die genannten NLZ`s, auf der anderen Seite auch die 366 DFB-Stützpunkte in ganz Deutschland. Diese Stützpunkte werden lokal angeboten und dienen zur Sichtung und Entwicklung von Nachwuchstalenten. So versucht der DFB die jungen Kicker nicht aus ihrem Umfeld zu reißen und sie beim gemeinsamen Spielen mit Freunden weiter zu fördern. Der dritte Bereich sind die U-Nationalmannschaften, mit denen der DFB versucht, auch die Nationalmannschaft weiter mit Nachwuchstalenten auszustatten. Viele Spieler haben so die Möglichkeit sich zu beweisen und die Aufmerksamkeit von internationalen Vereinen auf sich zu ziehen.

Für junge Fußballer gibt es auch genügend berühmte Vorbilder, die Nachwuchsleistungszentren und Jugendakademien besucht haben. Durch die Karrieren von David Alaba, Thomas Müller oder auch den Bender-Zwillingen sind die Jugendlichen gewillt, sich durchzusetzen und es ihren Vorbildern gleich zu tun. Doch nicht immer ist dieser Weg erfolgreich, viele Jugendspieler verlassen die Leistungszentren und werden keine Profisportler.

Erfahrungen im NLZ

Einer, der seine Chance genutzt hat ist Ben Bischof (19), der jahrelang im Nachwuchsleistungszentrum von Wehen Wiesbaden sämtliche Jugendmannschaften durchlaufen hat. Er sei nichts anderes gewöhnt, als dieses Leben, da er schon mit 11 dort ankam und es somit „normal gewesen ist“. Es gab für ihn einige Tage, an denen er sich gewünscht habe, mal weniger Zeit aufwenden zu müssen. Vor allem parallel zur Schule. „Da geht man morgens im Dunkeln raus und kommt abends wieder im Dunkeln heim“, das sei dann doch oft sehr anstrengend. Bischof würde seinen Weg allerdings trotzdem nochmal genauso gehen wenn er könnte. „Zu 100%“, sagt er im Interview mit KICK.TV, da er viele Menschen getroffen und kennengelernt habe, die er nicht missen möchte. Allerdings gab es auch einige Trainer, die Aussagen tätigten, die im Nachhinein „grenzwertig“ waren, führt der Mittelfeldspieler fort. Gefordert wird nun mal eine hohe Belastbarkeit, auch in jungen Jahren. Persönliche Entwicklung und der Spaß am Sport rückten auch bei ihm in den Hintergrund,

Mittlerweile hat der 19-jährige seinen Ausbildungsverein verlassen. Denn selbst er, Kapitän und Führungsspieler in der A-Junioren-Bundesliga, hatte mit fehlender Spielzeit zu kämpfen. Zwar unterschrieb er einen Profivertrag beim aktuellen Drittligisten Wehen Wiesbaden und trug sogar schon das Nationaltrikot für die U18-Nationalmannschaft, aber nach wie vor wolle er „Fußball spielen“ und nicht auf der Bank sitzen. Heute spielt er bei Bayern Alzenau in der Hessenliga gegen den Abstieg. Die Zeit im NLZ beschreibt er trotzdem als „sehr lustig und aufregend“, er habe immer viel Stress gehabt und auch in der Schule oftmals gefehlt, jedoch auch viel Positives erlebt. Dass er in seiner Jugend was verpasst hat, sei ihm erst später klar geworden.

Lange Auswärtsreisen und fehlende Freizeit

Spieler wie Bischof, die es geschafft haben sich in den U-Mannschaften durchzusetzen und in hohen Jugendligen spielen, müssen viel Zeit opfern. Vor allem die Junioren-Bundesligen sind deutschlandweit aufgeteilt, was lange Auswärtsreisen mit sich bringt. Am Wochenende den Stress und die Sorgen von Schule und Alltag ausblenden ist oft nicht möglich, da einige Spiele einen Aufenthalt mit Übernachtung fordern. Viele Jugendliche müssen dann während der Fahrt oder im Hotel schon für die nächste Klassenarbeit lernen und sich auf den Unterricht vorbereiten. Dann am nächsten Tag ein Topspiel gegen den Tabellennachbarn, zurück nach Hause und wieder an den Schreibtisch. Und das alles während die Klassenkameraden und Freunde die freie Zeit genießen konnten. Um Profisportler zu werden, müssen junge Menschen viel opfern, Zeit und auch Erfahrungen mit gleichaltrigen, die kein Fußball spielen.

Spieler müssen sich täglich neu beweisen

Nachwuchsleistungszentren versuchen jeden talentierten Spieler aus der unmittelbaren Umgebung aufzunehmen und zu einem Profi zu formen. Dabei wird oft unter den härtesten Bedingungen aussortiert. Meist haben Zentren feste Kadergrößen und strukturierte Mannschaftsplanungen. Schafft es ein Spieler in der Vorbereitung nicht, sich zu beweisen und die Trainer zu überzeugen, landet er schnell auf dem Abstiegsgleis.

In vielen Online-Portalen schreiben auch die Eltern über solche Situationen. Ihre Kinder haben jahrelang geackert und viel Freizeit geopfert, nur um dann am Ende des Tages nicht mehr Teil der Mannschaft zu sein. Oft werden neue Spieler gescoutet und den Jungs vor die Nase gesetzt. Verunsicherung und fehlendes Selbstvertrauen machen sich dann breit, der Spaß geht verloren und die eigene Leistung wird schwächer. Und eine Schwächephase in einer talentierten Truppe kann man sich nicht leisten, denn Vereine suchen nach dem nächsten Kai Havertz oder Jamal Musiala – Spielern, die zu Weltstars werden sollen.

Träume werden erschaffen und platzen wieder

Viele Amateurspieler werden von Scouts und Talentförderern angesprochen, welche früh mit dem Weg zum Profi locken. Doch oft endet dieser Traum nach kurzer Zeit wieder. In einem NLZ herrscht ein viel höherer Druck und vor allem Konkurrenzkampf. Vielerorts sind Amateure in ihren Vereinen eine ganz eigene Liga, kommen dann mit gleichstarken Spielern zusammen und wundern sich erstmal, wie sehr sie nun dagegen halten müssen. Oftmals fehlt die Kommunikation zu den Talenten. Ihnen beibringen, dass Sie nun nur einer von vielen Nachwuchshoffnungen sind, ist in vielen Fällen gescheitert. Viele Amateure werden aus ihren Vereinen gerissen, mit dem Traum in wenigen Jahren ganz oben zu stehen und werden doch schnell fallengelassen, wenn die Leistung nicht konstant stimmt.

Den Amateurvereinen fehlen oft die Argumente, Spieler längerfristig zu halten, ihnen klarzumachen, dass sie sich auch im Heimatverein noch entwickeln können. Immer früher gehen Spieler weg, immer öfter kommen sie enttäuscht zurück. Der Amateurverein scheint immer mehr zur B-Lösung zu werden und an Attraktivität zu verlieren. Gerade hier muss erkannt werden, dass Spieler nicht zu früh aus dem Umfeld gerissen werden sollten. Lieber sollten die großen Vereine über Jahre mit dem Verein und Spieler, sowie den Eltern zusammenarbeiten und Schritt für Schritt den Weg in eine oft knallharte Branche gehen.

Alternativen zu Nachwuchsleistungszentren

Damit in Zukunft viele Kinder nicht mehr jahrelang stark belastet sind und am Ende trotzdem aussortiert werden, versuchen Vereine und Verbände neue Ideen umzusetzen. Die Spieler sollen nicht direkt vom Heimatverein in ein großes Leistungszentrum wechseln, da meist die Umgewöhnung an neue Trainer, Spieler und Schule zu viel für die Talente ist. Viel mehr sollen talentierte Spieler mehrmals beobachtet und regional gefördert werden. Große Vereine arbeiten mehr mit kleinen zusammen und versuchen die Spieler erstmal vor Ort zu fördern. Dafür werden Know-How, Trainingskonzepte und stellenweise sogar Trainer zur Verfügung gestellt. Kann sich ein Spieler in dieser Übergangsphase beweisen, folgt – wenn alles passt – der nächste Schritt zu einem großen Klub. So versuchen Vereine den Spielern erstmal aufzuzeigen, was mit ihrer Begabung möglich ist, was aber auch nötig ist, um wirklich erfolgreich Fußball zu spielen.

Eine weitere Alternative bietet zum Beispiel die FFA, die freie Fußballakademie Hannover. Sie macht sich zu Aufgabe, jungen Spielern eine Alternative zum NLZ zu bieten.
„Unser Ziel ist es nicht, dass die Jugendlichen irgendwann einmal in einer möglichst hohen Liga spielen werden“, heißt es auf der Website. Es gehe viel mehr um den Weg, als um das Ziel. Spieler werden dort zwar auch leistungsorientiert gefördert, jedoch gibt es einen Unterschied zwischen der sportlichen Ausbildung und der Leistungsförderung. In letzterem werden Aspekte wie Ernährung und soziale Kompetenzen gesondert beobachtet. Der sportliche Teil ist aber erstmal die Hauptaufgabe, kommen die Talente dort zu Recht, wird auch an der Persönlichkeit und den Rahmenbedingungen gearbeitet, um nicht nur gute Fußballer zu erhalten. Auch der Mensch hinter dem Sportler soll gefördert werden.

Spieler müssen vermehrt regional gefördert werden

Durch Zusammenarbeiten von großen Vereinen mit regionalen kleineren Klubs ist der erste Schritt in eine nachhaltigere und sozialerer Nachwuchsförderung getan. Spieler, Eltern und Trainer müssen gemeinsam entscheiden, wie es für die talentierten Jugendlichen weitergeht. Für viele ist der Amateurfußball auch das, was wirklich zählt. Mit Freunden kicken, gemeinsame Erfolge erzielen und wenn eine Gelegenheit kommt, diese nutzen. Daher sollte nicht jeder Spieler erstmal in ein NLZ gepackt werden und dann schauen, ob er das überhaupt kann und will. Vielen wird so die Chance genommen sich weiterzuentwickeln und den Spaß am Sport zu genießen. Denn wenn man sieht, wie viele Fußballer Deutschland hat und wie wenige von Ihnen Profis sind, weiß man: Die Chance Profifußballer zu werden ist und bleibt eine sehr kleine.

Nächste Woche geht’s weiter!

Ob einer der Spieler, die aktuell in einem Nachwuchsleistungszentrum aktiv sind, bald auch im Profifußball für Furore sorgen wird, werden wir rechtzeitig erfahren. Doch auch die Spieler, die es nicht schaffen den Schritt zum Profi zu machen, bleiben meist im Fußball tätig. Und für diese Spieler bietet KICK.TV die richtige Plattform. Ob packende Spielberichte, Interviews oder Vereinsporträts, wir zeigen alles, was der Amateurfußball Deutschlands zu bieten hat. Besuche doch einfach mal unsere Website und abonniere unsere Social-Media-Kanäle, um nichts mehr zu verpassen!