Vor sechs Jahren war der 1899 gegründete FSV Frankfurt noch in der 2. Bundesliga, mittlerweile heißt die Gegenwart Regionalliga Südwest. Der Verein steht nicht nur finanziell, sondern auch sportlich alles andere als gefestigt da. Die Existenzangst und der damit einhergehende Leistungsdruck sind riesig. Wie konnte es für den langjährigen Zweitligisten und Traditionsverein so weit kommen? Dieser Frage gehen wir in diesem Artikel auf den Grund.

Die Chronik des Niedergangs – Der FSV auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

0:7 hieß es am vergangenen Wochenende im Regionalliga-Duell zwischen dem Aufstiegsfavoriten FC 08 Homburg und dem FSV Frankfurt. Es war die dritthöchste Vereinsniederlage für die Frankfurter und ein Ergebnis, das der FSV so bereits in der Viertklassigkeit erlebt hat. Vor gut vier Jahren gab es eine ähnliche Klatsche – ausgerechnet im Derby gegen die Offenbacher Kickers. Es sind zwei Resultate, die Symbolbildcharakter haben und den sportlichen Niedergang des einst so erfolgreichen Traditionsvereins widerspiegeln. Es läuft aktuell nicht und die Rückkehr in den Profifußball scheint so weit entfernt, wie noch nie.

Auf das sportliche Hoch folgten nur noch Tiefs

Vier Punkte waren es am Ende der Spielzeit 2012/13, die dem FSV fehlten, um in die Regelation zur Fußball-Bundesliga einzuziehen. Erst die 2:3-Niederlage am 32. Spieltag im direkten Duell um den Aufstieg gegen den 1. FC Kaiserslautern ließ die Träume der Frankfurter platzen. Es sollte das letzte große Highlight der jüngeren Vereinsgeschichte sein. Nach dem Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga und vier Jahren im Abstiegskampf war der FSV in jener Saison die Überraschungsmannschaft im deutschen Unterhaus.

Nach der erfolgreichsten Zweitligaspielzeit der Klubgeschichte verließen etliche Stammkräfte den Verein, darunter Yannick Stark (TSV 1860 München), Marcel Gaus (1. FC Kaiserslautern) oder auch John Verhoek (Stades Rennes). Danach gab es zwei weitere Jahre im Tabellenmittelfeld der 2. Bundesliga, ehe die Bornheimer 2015/16 nach einer katastrophalen Rückrunde mit lediglich zehn Punkten aus 17 Spielen den Gang in die 3. Liga antreten mussten.

Die PSD-Bank-Arena, auch als Stadion am Bornheimer Hang bekannt, ist die Heimspielstätte des FSV Frankfurt (Foto von: Alimurahman)

Was folgte, war nicht nur der zweite sportliche Abstieg in Folge, sondern auch die Insolvenz der Fußball GmbH. Dahinter steht der eingetragene Verein als einziger Gesellschafter der GmbH. Durch den Absprung von Sponsoren, der Zahlungsunfähigkeit des wichtigsten Untermieters des Stadions, dem Footballklub Frankfurt Universe und Schulden bei der Stadt aufgrund des Stadionumbaus zwischen 2007 und 2013 waren die Frankfurter in eine finanzielle Schieflage geraten. Mit lediglich 25 Punkten, davon wurden neun Zähler wegen des Insolvenzantrags abgezogen, landete der FSV auf dem 20. und damit letzten Platz in Liga drei.

Seit der Saison 2017/18 spielen die Frankfurter nun in der viertklassigen Regionalliga Südwest. Gleich in der ersten Regionalliga-Spielzeit wendete der FSV mit lediglich zwei Zählern Vorsprung den dritten Abstieg in Folge ab. Nach zwei zwölften Plätzen in den beiden Folgejahren schien sich der ehemalige Zweitligist sportlich rehabilitiert zu haben. Es folgte ein sechster Rang in der von Corona geprägten Spielzeit 2020/21. Eigentlich ein Grund zu Euphorie, die aber nicht in die abgelaufene Saison mitgenommen werden konnte.

Klassenerhalt unter umstrittenen Umständen – Die „Schande von Frankfurt“

Die Geschichte wiederholt sich. Nach einer starken vorherigen Spielzeit landete der FSV am Ende des letzten Jahres auf dem 15. und damit letzten Nichtabstiegsplatz in der Regionalliga Südwest. Punktgleich mit dem Tabellensechzehnten, der SG Sonnenhof Großaspach, und dem Tabellenvierzehnten Rot-Weiß Koblenz. Lediglich aufgrund des besseren Torverhältnisses stiegen die Hessen nicht ab. Den Ligaverbleib sicherten die Frankfurter am vorletzten Spieltag gegen den SV Elversberg.

Der 1:1-Endstand zwischen dem FSV und dem SV Elversberg war am Ende nur eine Randnotiz. Auch die Tatsache, dass durch dieses Ergebnis beide Mannschaften ihr Ziel so gut wie erreicht hatten – die Hessen den Nichtabstieg und die Saarländer den Aufstieg – wurde zur Nebensache. Das lag primär daran, wie die Punkteteilung zustande kam.

Nach einem frühen Tor der Elversberger und dem Ausgleich des FSV stand es zur Halbzeitpause 1:1-Unentschieden. Da die SG Sonnenhof Großaspach zu diesem Zeitpunkt deutlich gegen den SSV Ulm führte, einigten sich beide Mannschaften in der zweiten Spielhälfte auf einen Nichtangriffspakt. In den letzten zwölf Minuten der Partie ließ Elversberg den Ball nur noch in der eigenen Hälfte laufen, ohne Druck des FSV. Der Grund dafür ist ebenso simpel wie sportlich fragwürdig.

KICK.TV war mit dabei: Beim Stand von 1:1-Uentschieden am vorletzten Spieltag der Regionalliga Südwest 2021/22 beschlossen beide Mannschaften für die letzten 12 Minuten einen Nichtangriffspackt

Durch den Punktgewinn und der deutlich besseren Tordifferenz waren die Saarländer nahezu uneinholbar vorne und hätten nur noch rein theoretisch von Ulm eingeholt werden können. Gleiches galt auf der anderen Seite der Tabelle für den FSV, der durch die Punkteteilung drei Punkte Vorsprung vor dem letzten Spieltag auf Großaspach mit einer deutlich besseren Tordifferenz hatte.

Zu große Träume und Misswirtschaft – Die Personalie Clemens Krüger

Für viele ist der rasante finanzielle Abstieg eng mit dem ehemaligen Geschäftsführer Clemens Krüger verbunden. Krüger begann im Jahr 2000 als rechte Hand vom damaligen Präsidenten Bernd Reisig. Damals spielte der FSV in der vierten Liga und konnte gerade so die erste Insolvenz der Vereinsgeschichte abwenden. Einen großen Anteil an der Rettung des Traditionsvereins hatte Reisig, der nach Gesprächen mit den Gläubigern den Verein rettete.

Über die Jahre entwickelte sich eine finanziell sowie sportlich erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Krüger und Reisig, die jedoch auf menschlicher Ebene nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft war. Nach dem überraschenden Aufstieg von der vierten in die zweite Liga wurde die Profiabteilung des FSV ein Jahr später in die Fußball GmbH ausgegliedert. In der neugegründeten GmbH wurde Krüger erst Prokurist, bevor er im Dezember 2010 zum neuen Finanzgeschäftsführer aufstieg.

Hintergrund des Aufstiegs war der Rücktritt vom langjährigen Geschäftsführer Reisig, der nach langwierigen Unstimmigkeiten mit der Stadt Frankfurt und dem damaligen Sportdezernenten, Markus Frank, über den Ausbau des Stadions am Bornheimer Hang von all seinen Ämtern zurücktrat. In der Folge war es der mittlerweile 51-Jährige, der sich nun alleinig um die Finanzen des damaligen Zweitligisten kümmerte.

Trotz der Sparmaßnahmen folgte die Insolvenz

Krüger übernahm zum damaligen Zeitpunkt einen schuldenfreien FSV Frankfurt, der sich unter Ex-Präsident Reisig zu einem deutschen Vorzeigeklub entwickelt hatte. Trotz der sportlich erfolgreichen Saison 2012/13 und der darauffolgenden Etablierung als Zweitligist samt der Ernennung von Krüger zum Geschäftsführer im Jahr 2015, schaffte es der gebürtige Berliner nicht, die finanziellen Geschicke wirtschaftliche profitabel zu leiten. Einfach ausgedrückt: Krüger gab mehr Geld aus, als der Verein einnahm.

Aufgrund von Faktoren wie der jährlich sinkenden Sponsoreneinnahmen sowie der Stadionmiete an die Stadt und der bereits erwähnten fehlenden Einnahmen durch den eigentlichen Hauptmieter, dem Footballklub Frankfurt Universe, wurde aus dem einstigen Vorzeigeverein ein finanzieller Problemfall.

Nach dem Abstieg in die 3. Liga gelang es Krüger zwar mithilfe von privaten Investoren die Lizenz für die dritthöchste Spielklasse zu bekommen, die Hoffnung auf den direkten Wiederaufstieg zerschlug sich jedoch aufgrund von sportlichen Misserfolgen rasch. Somit blieben auch die erhofften Fernsehgelder aus und der Verein beantragte schlussendlich die Insolvenz – ohne den ehemaligen Geschäftsführer, der geschlossen mit dem Präsidium zuvor seinen Posten räumte.

Die Gegenwart – Der Neustart in der Regionalliga

Auf Krüger folgte ein bekanntes Gesicht – Michael Görner. Der 62-Jährige war nicht nur von 2002 bis 2007 bereits als Präsident des FSV tätigt, sondern unterstützt den Verein seit Kindesbeinen. Früher als Fan mit Schaal und Kutte, später auch mit finanziellen Mitteln. Trotz aller Anstrengungen konnte auch Görner den sportlichen Abstieg in die Viertklassigkeit aber nicht vermeiden.

Seit rund fünf Jahren sind die Hessen nun in der Regionalliga Südwest unterwegs. Finanziell sieht es weiterhin sehr dürftig aus. Der Grund dafür lag nicht nur an den Folgen der Insolvenz, sondern auch an den Coronajahren 2019 und 2020, die viele Amateurvereine vor finanzielle Herausforderungen gestellt hat. Die Stadionmiete durch die Stadt wird seit Längerem gestundet, nur so lässt sich der Spielbetrieb unter einigermaßen normalen Bedingungen durchführen.

Eine große Herausforderung ist auch das Sportliche für die Bornheimer, denn das Wirtschaftliche und vor allem die Zukunft des Vereins sind eng mit dem Abschneiden auf dem Rasen verknüpft. Ein Abstieg in die Fünftklassigkeit wäre das vermeintliche Ende des einstigen deutschen Vizemeisters. Nicht nur das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) könnte nicht mehr unterhalten werden, sondern auch die Gehälter der Mitarbeiter wären nicht mehr tragbar.

Sportlich sowie finanziell ein Ritt auf Messers Schneide

Die Existenzangst schwingt bei jedem Spiel der Hessen ein wenig mit, vor allem wenn es eine so deutliche Niederlage wie das 0:7 am vergangenen Wochenende gegen den FC 08 Homburg gibt. Zwar war es erst der zweite Spieltag in der Regionalliga Südwest, doch die Euphorie nach der guten Vorbereitung und dem Sieg zum Ligaauftakt gegen den TSG Balingen ist schnell verflogen. Der nächste Umbruch in diesem Sommer könnte als Grund dafür dienen: Insgesamt 19 Spieler verließen den Verein, darunter Ex-Bundesligaprofi Marcel Heller. Auf der anderen Seite wurden 14 Neuverpflichtungen getätigt.

Seit März diesen Jahres ist Tim Görner, der Sohn des Präsidenten Michael Görner, als Cheftrainer des FSV Frankfurt aktiv (Foto von: https://www.facebook.com/fsvfrankfurt1899)

Außerdem sitzt seit März dieses Jahres ein neuer Mann mit bekanntem Nachnamen auf der Trainerbank, Tim Görner. Der 26-Jährige ist der Sohn des aktuellen Präsidenten und hat nach seinem Posten als U19-Trainer und als Co-Trainer von Vorgänger Thomas Brendel das Vertrauen des Präsidiums erhalten.

Die nächsten Spiele werden zeigen, wo die Reise des FSV hingeht. Am Wochenende steht das Hessenderby gegen den KSV Hessen Kassel, die im Gegensatz zu den Frankfurtern noch auf die ersten drei Punkte der Saison warten, auf dem Programm. Wie haben die Bornheimer die schmerzhafte Niederlage verdaut und wie geht es beim FSV weiter? Die Antworten auf diese Fragen werden im Laufe der Spielzeit gegeben. Eines ist jedoch sicher: Sowohl finanziell als auch sportlich dürfte es mal wieder eine spannende Angelegenheit im Herzen von Europa werden.