135 Jahre Vereinsgeschichte, Weltmeister, Stauseekampfbahn, Bilbao-Konzept. TuS Haltern besticht nicht nur durch viel Tradition, sondern auch durch eine erfolgreiche Talentschmiede und ein modernes Vereinskonzept. Warum die gut besetzten Seestädter nur Oberliga spielen und welche Rolle Benedikt Höwedes im Verein einnimmt, erzählen wir dir in diesem Artikel. Außerdem erfährst du hier, was den Klub in der heutigen Zeit einzigartig macht. Viel Spaß im Baskenland des Ruhrgebiets!

Wann wurde TuS Haltern gegründet?

Der Ursprung des TuS Haltern lässt sich auf das Jahr 1882 zurückführen. Damals fusionierten die drei Sportgemeinschaften ATV Haltern, die Haltener Feuerwehr sowie die TuS miteinander. Vorerst allerdings nicht mit dem Ziel, zusammen gegen einen Fußball zu treten. Im Mittelpunkt stand zunächst das Turnen. Die Fußballabteilung wurde erst 25 Jahre später gegründet. 1907 noch als lockere Gruppe „Spiel und Sport Haltern“, sieben Jahre darauf dann als erster dauerhafter Fußballverein „Edelweiß“.

Sportlich spielten die Halterner zunächst keine bedeutende Rolle im deutschen Fußball. Man fand sich lange Zeit in der damalig drittklassigen Landesliga Westfalen wieder. Im Gedächtnis geblieben sind aus der Nachkriegsepoche eher vereinsinterne Auseinandersetzungen. Das Recht, wer den Zusatz „von 1882“ tragen darf, sorgte in den verschiedenen Sportabteilungen des Klubs für jahrelange Streitigkeiten. Diese wurden bis 1982 beigelegt, so dass alle drei Vereine zusammen ihr einhundertstes Jubiläum in der Halterner Innenstadt feiern konnten.

Eine Finanzspritze gibt Aufschwung – Entwicklung in allen Bereichen

Auch nach der Wende tat sich die Fußballabteilung schwer, sportliche Erfolge zu feiern. Auf sieben Jahre in der Landesliga Westfalen folgten ganze 13 Jahre in der Bezirksliga. Hier zählte man Anfang der 2000er nicht mal zu den spielstärksten Mannschaften. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern.

Nach einer weiteren schwachen Tabellenplatzierung in der Saison 2005/06 (Platz 14) schafften es die „Schwarz-weißen“ fortan, sich stetig zu verbessern. Hinzu kam die finanzielle Unterstützung eines ehemaligen Jugendspielers des Klubs, Christoph Metzelder, der zu dieser Zeit als aktiver Profi bei Real Madrid unter Vertrag stand. Mit neuer sportlicher Hoffnung und der Finanzspritze des Nationalspielers wurde im ersten Schritt eine mögliche Insolvenz abgewendet.

PR-Arbeit und Kunstrasen sollen neuen Glanz verleihen

Um sich weiter zu stabilisieren, gründete TuS Haltern ein vereinsinternes Unterstützerteam. Neben der wirtschaftlichen Sanierung um die Verbesserung der Trainingsbedingungen kümmerte sich das Team intensiv um die Jugendarbeit. Außerdem wurde eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut, in der Werbekampagnen und eine zielgerichtete Vernetzung über soziale Medien im Fokus standen. Die deutschlandweit erste PR-Kampagne eines Bezirksligavereins – „Tu’s Haltern“ – erlangte beim Marketingpreis des Sports 2010 den zweiten Platz.

Die Strahlkraft Metzelders ermöglichte es der Stadt Haltern zudem, neue Sponsoren an Land zu ziehen und dem Verein weitere professionelle Strukturen zu übertragen. Dazu gehörte 2009 unter anderem der Bau eines kompletten Kunstrasenplatzes an der Stauseekampfbahn, dem Stadion der Seestädter.

Drei Aufstiege in vier Jahren – TuS Haltern plötzlich in der Regionalliga

Unter neuen Grundvoraussetzungen starteten die „Schwarz-weißen“ also in die Saison 2009/10. Man feierte eine souveräne Meisterschaft und verabschiedete sich ab diesem Jahr für immer von der Bezirksliga. In der Landesliga Westfalen etablierte sich die TuS und schaffte nach zwei Jahren sogar den Aufstieg in die Westfalenliga. Die sechsthöchste Spielklasse Deutschlands war zunächst aber noch eine Nummer zu groß für den Klub. Es folgte der direkte Widerabstieg.

In der Spielzeit 2015/16 wagten die mittlerweile verstärkten Seestädter den erneuten Angriff auf die Aufstiegsplätze. In eindrucksvoller Manier spielte man sich zur Meisterschaft und somit zum Aufstieg. Zur Überraschung vieler Fans übertraf man seine diesjährige Punkteausbeute in der folgenden Saison in der höheren Westfalenliga. Auch das bedeutete Platz Eins in der Tabelle. Der Klub würde im nächsten Jahr zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Oberliga spielen.

Doch damit nicht genug. Als Außenseiter in der Liga gestartet, erreichten die Westfalen in der Premieren-Saison den fünften Tabellenplatz. 2018/19 verbesserten sich die Halterner sogar zur Vizemeisterschaft. Der damit verbundene Aufstieg in die Regionalliga West machte den rasanten Emporstieg des „kleinen Amateurklubs“ aus Haltern perfekt.

Freiwilliger Abstieg – In weiser Voraussicht einen Schritt zurück

Als eher untypischer Viertligist, der noch vor wenigen Jahren Bezirksliga gespielt hatte, startete TuS Haltern als Abstiegskandidat in die neue Saison. Den schlechten Vorzeichen zum Trotz, schaffte man mit Tabellenplatz 14 den Klassenerhalt und qualifizierte sich sportlich gesehen für ein weiteres Jahr in der Regionalliga.

Überfordert sahen sich die Verantwortlichen allerdings durch die hohe Spielbelastung und finanzielle Unsicherheiten, hauptsächlich bedingt durch die Corona-Pandemie. Um nicht in eine nachhaltige Klubkrise zu rutschen, sah sich der Verein nun dazu gezwungen, auf den Startplatz für die Regionalliga-Saison 2020/21 zu verzichten. Ganz nach dem Motto: Lieber Oberliga mit Spaß als Regionalliga mit Krampf.

Der freiwillige Rückzug sei „ein klares Bekenntnis für den Amateurfußball”, sagte Marketingchef Raphael Brinkert damals im Interview mit KICK.TV: „Wir glauben, dass dieser Schritt richtig und vorausschauend ist. Nicht nur bei Profivereinen sehen wir gerade, dass die Corona-Krise als Katalysator von Fehlentwicklungen der letzten Jahre einige Vereine in den nächsten Monaten extrem treffen wird.” In der Oberliga würde TuS Haltern eine sichere Grundlage haben, um sich weiterzuentwickeln. Außerdem sollte der sportliche Druck von Spielern und Verantwortlichen genommen werden, um das in Deutschland einzigartige Vereinskonzept in Ruhe voranzutreiben.

Lokale Werte statt hoch hinaus – Das „Bilbao-Konzept”

Ab dem kommenden Jahr entschied sich der TuS Haltern nämlich für einen Strategiewechsel bei der Ausrichtung des erfolgreichsten Sportvereins der Seestadt. Vorbild ist der auch in Corona-Zeiten wirtschaftlich gesunde und sportlich erfolgreiche Klub Athletic Bilbao. Die Spanier setzen ausschließlich auf Spieler aus der eigenen Jugend und dem Baskenland. Der lokale Bezug war auch den Westfalen schon immer wichtig, den „Bilbao-Weg” zu gehen war dennoch ein großer Schritt.

Das Konzept „Unser Star ist die Stadt” lässt sich schnell zusammenfassen: Alle Senioren-Mannschaften der TuS Haltern müssen eine Mindset-Quote von Spielern aus der Seestadt erfüllen. Der radikale Umbruch startete zur Saison 2020/21 mit einem Seestadt-Anteil von 50% und steigert sich zur Folgesaison auf 75%. Damit werden in Zukunft Spieler, die in Haltern geboren oder aufgewachsen sind, dort wohnen oder aus der eigenen Talentschmiede kommen, den Großteil der „Schwarz-weißen” Teams ausmachen.

TuS Haltern – Ein Weg mit Zukunft und Charakter

War in den letzten zehn Jahren die Arbeit vom Aufstieg aus der Bezirksliga bis in die Regionalliga geprägt, nutzt TuS Haltern die Corona-Pandemie zum nachhaltigen Umbruch – der Verschmelzung von größtmöglichem sportlichem Erfolg mit lokalen Werten und Bedürfnissen. Marketingchef Brinkert brachte es auf den Punkt: “Wir sind der festen Überzeugung, dass es in den nächsten Jahren nicht nur um höher, weiter und schneller, sondern auch um sozialer, gerechter und nachhaltiger geht.” Noch ausführlicher erklärt Brinkert das Projekt „Deutschlands Amateur-Bilbao“ im Interview mit uns. Den Link dazu findest du hier.

Helfen soll bei der langfristigen Umsetzung ein weiteres Juwel aus Haltern. Benedikt Höwedes, Weltmeister von 2014, wurde in den Strategie-Stab mit aufgenommen. Der ehemalige Profi, der bei TuS Haltern groß geworden ist, baut damit sein Engagement bei seinem Heimatklub aus. Was er zum Bilbao-Konzept sagt und wie nahe er seinem TuS steht, seht ihr hier bei KICK.TV.

Deutschlands erfolgreichste Talentschmiede im Amateurfußball

Geschichten wie die von Höwedes waren es, die die Verantwortlichen in ihrem Vorhaben zum Strategiewechsel ermutigt haben. Auch der Ex-Hannoveraner Sérgio Pinto schaffte einst den Sprung aus der Stauseekampfbahn in den Profifußball. Dass Pinto und Höwedes sich heute für ihren Jugendverein engagieren, zeigt das Potential des neuen Konzepts. Die außergewöhnliche Heimatverbundenheit der Seestädter zu ihrem Klub ist zumindest deutlich erkennbar.

TuS Haltern hat eine aufregende Zukunft vor sich. Die Selbstbeschränkung auf Spieler aus der Heimat soll als konsequente Weiterentwicklung und Rückbesinnung auf die DNA des Vereins als Deutschlands erfolgreichste Talentschmiede im Amateurfußball dienen. In der Oberliga, in der man seit 2020 vorerst spielt, kann man dies mit Ruhe und Gelassenheit umsetzen. Im April 2021 gaben passend dazu gleich sieben Spieler der aktuellen U19 des Seestadt-Klubs ihre Zusage für die kommende Spielzeit bei den Herren. Der eingeschlagene Weg trägt also Früchte und bietet den Rahmen für eine sportliche und infrastrukturelle Zukunft, die für eine Überraschung gut sein könnte.

Mit KICK.TV am Ball bleiben

Wir begleiten die TuS aus Haltern auf diesem Weg. Ob vertonte Highlights, Hintergrundberichte oder professionelle Interviews – KICK.TV versorgt dich mit spannendem Content um einen genauso spannenden Verein. Unter anderem kannst du dir bei uns den Pokalfight, inklusive Elfmeter-Drama, gegen Rot Weiß Ahlen aus dem Jahr 2020 nochmal in Ruhe anschauen.

Wir von KICK.TV sind aber nicht nur in der Seestadt unterwegs. Auf der größten Videoplattform für den Amateurfußball findet jeder Liebhaber etwas. Unsere sieben Standorte in ganz Deutschland bieten dir die aufregendsten und außergewöhnlichsten Geschichten rund um deinen Lieblingssport.