FC Rot-Weiß Erfurt: Ein Thüringer Fußballverein mit traditionsreicher Vergangenheit und sportlich schwieriger Gegenwart. Von der großen Umstellung nach der Wende und dem Übergang vom Ostverein in den „neuen“ Profifußball. Die fußballerische Sternstunde von Jürgen Klopp und irre Pokalfights gegen Bayern München. Außerdem erzählen wir dir im heutigen Vereinsportrait, wie der Klub in der fünften Liga gelandet ist und was sich jetzt ändert. Viel Spaß!

Die Wurzeln von RWE – Gründungsmitglied des DFB und Meistertitel

Der Beginn des Erfurter Fußballs liegt lange vor der Gründung des heutigen Rot-Weiß Erfurt. Bereits 1895 wird mit dem „Erfurter Cricket Club“ der Grundstein für erfolgreichen Fußball in der Hauptstadt Thüringens gelegt. 1900 ist jener Verein Gründungsmitglied des DFB in Leipzig – ebenso wie der Vorgängerklub des Chemnitzer FC. Die ersten Jahre des zu dieser Zeit erfolgreichstem Erfurter Klub sind beachtlich. In den 1910er Jahren wird die Mannschaft sieben Mal in Folge Thüringer Gaumeister.

1909, nach dem Gewinn der Mitteldeutschen Meisterschaft, scheitert der Verein erst im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft am späteren Titelträger Phönix Karlsruhe mit 1:9. In den folgenden Jahrzehnten entwickelt sich der Fußball in Thüringen kontinuierlich weiter. Nennenswerte Titel kommen aber vorerst nicht hinzu. Mit Ende des zweiten Weltkrieges und Beginn der Sowjetischen Herrschaft in Ostdeutschland erlebt der organisierte Fußball einen tiefen Einschnitt. Aufgrund einer Besatzungsdirektive werden bis auf weiteres alle Sportvereine zerschlagen. Nur durch den Einsatz vieler Stimmen wird dieses Verbot 1946 aufgehoben. Der ehemalige Erfurter Cricket Club heißt jetzt, nach diversen Namensänderungen, BSG Turbine Erfurt.

Als Turbine Erfurt erlebt der Verein seine erfolgreichste Zeit. Vor über 40.000 Zuschauern im Georgij-Dimitroff-Stadion, dem heutigen Steigerwald-Stadion, gewinnt man im Finale der Deutschen Meisterschaft gegen Wismut Aue 2:0. Im folgenden Jahr kann der Erfolg wiederholt werden. Die Erfurter, die bis heute im gleichen Stadion ihre Heimspiele Austragen, sind das Maß der Dinge im Fußball der DDR.

Die großen Ostvereine und der langsame Abstieg

In den Jahren nach der Meisterschaft kann der Verein nicht mehr an die Erfolge anknüpfen. Durch den Abgang einiger Stammkräfte steigt man Ende der 50er sogar erstmalig in die zweitklassige DDR-Liga ab. Der Aufenthalt in der unterklassigen Spielklasse ist aber nur von kurzer Dauer. Ein Jahr darauf kann der Wiederaufstieg gefeiert werden. 1966 wird dann aus Turbine der FC Rot-Weiß Erfurt. Die privilegierte Einstufung als ‚Fußball Club‘ bringt jedoch keinen positiven Anschub. Bereits im Jahr der Gründung steigt man wieder in die DDR-Liga ab.

Das liegt auch an der Strahlkraft der großen Ostvereine. Gerade die Berliner Klubs, die auch politisch bevorzugt werden, machen es dem eher kleinen Verein aus Erfurt schwer, Talente und Strukturen zu etablieren. Dennoch gelingt der sofortige Wiederaufstieg in die Oberliga. Hier können sich die Erfurter dann mit Beginn der 1970er Jahre auch festsetzen. Am Ende der Saison steht die Mannschaft zu dieser Zeit immer im unteren Mittelfeld der Tabelle.

Bis zum Fall der Mauer spielt RWE konsequent im Oberhaus des DDR-Fußballs. In der Saison 1989/90 erreicht man sogar noch einmal das Finale des FDGB-Pokals, welches allerdings im Thüringen-Derby gegen Carl-Zeiss Jena 1:3 n.V. verloren geht.

Die Jahre nach der Wende – Europäischer Fußball und die Sternstunde Jürgen Klopps

Die erfolgreichste Saison der jüngeren Geschichte ist ausgerechnet die letzte der DDR-Oberliga. Überraschend landete die Mannschaft auf dem dritten Tabellenplatz. Dies war gleichbedeutend mit der Qualifikation für die neue zweite Bundesliga. Zudem erreicht man ein lange ausgeschriebenes Ziel des Vereins: Die Qualifikation für den UEFA-Pokal. Nachdem die Mannschaft die erste Runde gegen den Niederländischen Vertreter FC Groningen mit 1:0, 1:0 für sich entscheidet, wartet in der zweiten Runde Ajax Amsterdam. Zwar verliert Erfurt das Hinspiel überraschend knapp mit 2:1. Das Star-Ensemble um Dennis Bergkamp ist dann aber eine Nummer zu groß. Im Rückspiel gewinnt Ajax ungefährdet mit 3:0. Somit endet die erste und einzige Internationale Pokalteilnahme Erfurts.

Die erste und vorerst letzte Zweitliga-Saison von RWE verläuft schlecht. Wie viele ehemalige Ostvereine kann auch Erfurt nicht Fuß fassen. Bereits am Ende der Saison steht der Abstieg fest. Negativer Höhepunkt der Saison ist die 5:0-Klatsche bei Mainz 05. Spieler des Spiels: Ein gewisser Jürgen Klopp. Der heutige Trainer vom FC Liverpool schießt in diesem Spiel vier Tore. Es ist das Highlight seiner spielerischen Laufbahn. Die Presseschlagzeile: „Von Klopp gab‘s Kloppe“.

In den folgenden Jahren setzen die Erfurter vieles auf den Sprung zurück in den Profifußball. Neue Spieler werden verpflichtet. Trotzdem gelingt der Aufstieg zunächst nicht, auch wenn man einige Male denkbar knapp scheitert. So wird die Mannschaft 1994 trotz keiner Niederlage in 30 Spielen nur Zweiter.

Erste finanzielle Probleme und eine Relegation ums Überleben

Der zweite Platz in dieser Saison bedeutet aber die Qualifikation für die neue Regionalliga Nordost. Dennoch intensivieren sich in dieser Zeit die finanziellen Sorgen des Vereins. Da auch die Zuschauerzahlen stagnieren, hat der Verein 1997 einen Schuldenberg von über sechs Millionen D-Mark angehäuft. Das erste Insolvenzverfahren wird eröffnet. Erst durch die Wahl einer neuen Führungsriege kann die finanzielle Talfahrt beendet werden. Der Verein kann weiter Existieren.

Zum Showdown kommt es dann wenige Jahre später, als im Jahr 2000 die Zahl der Regionalligen von Vier auf Zwei reduziert wird. Da RWE zu diesem Zeitpunkt nur Tabellensiebter ist, muss die Mannschaft in die Relegation für den letzten Platz der neuen Regionalliga. Gegen Oberligisten FC Schöneberg 95 geht das Hinspiel 0:1 verloren. Der Abstieg würde Erfurt vor erhebliche Probleme stellen, da die finanziellen Einbußen weiter steigen würden. Im Rückspiel lag Rot-Weiß lange mit 3:1 in Führung. In der 90. Spielminute traf Schöneberg die Latte, im direkten Konter fiel das 4:1 für RWE. Ein 3:2, was durch den Lattentreffer verhindert wurde, hätte aufgrund der Auswärtstorregel nicht gereicht. So sprang der Verein ein weiteres Mal von der Schippe und qualifizierte sich für die Regionalliga.

Zweite Liga und die knapp verpasste Pokalsensation

Der Klub setzte vieles auf die Karte Profifußball. Für dieses Ziel wurden weiter teure Spieler verpflichtet. Trotzdem scheiterte die Mission zunächst. Erst in der Saison 2003/04 gelang der Sprung in den bezahlten Fußball. Vor 20.000 Zuschauern wird gegen Saarbrücken mit 2:1 der Aufstieg besiegelt.

Die Freude ist jedoch nur von kurzer Dauer. Da der zuvor gefeierte Erfolgstrainer René Müller die Mannschaft vor dem Saisonstart 2004/05 radikal umbaute, fehlte es der Mannschaft an Konstanz. Bereits im Februar des folgenden Jahres wurde Müller nach einer Niederlagenserie entlassen. Der Abstieg konnte so aber nicht mehr verhindert werden. Nach nur einer Saison verabschiedet sich die Mannschaft in die Regionalliga.

Durch diesen Abstieg intensivieren sich die finanziellen Probleme. Der Verein bleibt dennoch standhaft und schafft 2008 die Qualifikation für die neu geschaffene dritte Liga. Im DFB-Pokal spielt RWE in der ersten Runde auf den FC Bayern München. Vor 22.000 Zuschauern entwickelt sich ein wahrer Pokalkrimi. Drei Mal gehen die Bayern in Führung, drei Mal kann Erfurt kontern. Erst in der 80. Spielminute gelingt durch Toni Kroos der 4:3-Siegtreffer für die Bayern.

Der Absturz des ‚Drittliga-Dinos‘ in die Fünftklassigkeit

In den folgenden 10 Jahren kann sich die Mannschaft zunächst in der Liga etablieren. Zwar hat man nie ernsthaftes Mitspracherecht um die Aufstiegsplätze, aber die sportliche Situation verschlechtert sich nicht. Das ändert sich erst 2018. Nach diversen Trainerwechseln, die keinen positiven Effekt auf die Mannschaft haben, steigt der Verein am Ende der Saison 2017/18 als letztes „Gründungsmitglied“ der dritten Liga ab.

Zusätzlich reicht Rot-Weiß Erfurt am 18. März 2018 aufgrund von „wirtschaftlicher und sportlicher Aussichtslosigkeit“ den Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht ein. Der ehemalige DDR-Meister und Traditionsverein liegt am Boden. Folglich spielt die Mannschaft erstmalig in der Vereinshistorie nur noch viertklassig. Die neu gewählte Führungsetage kann dann zwar das Insolvenzverfahren erfolgreich abschließen. Sportlich kann sich RWE aber nicht erholen. Nach dem 19. Spieltag der Saison 2019/20 verkündet Erfurt die Abmeldung der ersten Mannschaft vom Spielbetrieb. Somit steht RWE als Absteiger in die fünftklassige Oberliga fest.

Eine neue Hoffung

In der Oberliga wird im Sommer 2020 der Neustart gewagt. Hierfür engagiert sich der neue Mäzen Franz Gerber. Der ehemalige Profi von St. Pauli und dem FC Bayern engagiert sich finanziell und hilft, der Insolvenz zu entkommen. Zudem sind auch die Fans beteiligt: Über die Aktion „Nachwuchsunterstützerclub“ beteiligen sich die Anhänger von Erfurt finanziell an der Jugendabteilung des Vereins. Der verliert im Zuge des Abstiegs in die fünfte Liga sein Status als Ausbildungszentrum, was die Arbeit weiter erschwert. Dennoch gibt sich der Verein nicht geschlagen. Frei nach dem Motto der RWE-Hymne: „Wir steh‘n zu dir, weil‘s weitergeht!“

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Da der Amateurfußball in Sachsen aufgrund der Pandemie für dieses Jahr eingestellt wurde, ist die Oberliga-Saison vorerst beendet. Zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs steht Erfurt auf Tabellenrang Sechs, in Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen. In der Landeshauptstadt Thüringens ist das langfristige Ziel klar: Zurück in den bezahlten Fußball! Dafür arbeitet der Klub, wie hier im Spitzenspiel gegen Union Sandersdorf, sehr hart.

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