Mannschaftsgeist, Kameradschaft, Spaß, Freundschaft. All diese Worte verbinden wir mit unserem geliebten Fußball. Denn dort geht es um mehr als nur Sieg oder Niederlage. Im Profifußball sind jedoch Gehaltsverhandlungen und gigantische Transfersummen an der Tagesordnung. Abseits des Champions-League-Scheinwerfer-Lichts und den jungen Millionären, wird in den Amateurligen noch echter Fußball gespielt. Aber selbst hier spielt Geld einer immer zentralerer Rolle. Im zweiten Teil der Reihe „Der Amateurfußball und seine Herausforderungen“, setzen wir uns mit dem Thema Geld und Bezahlung in den deutschen Amateurspielklassen auseinander. Wir sprechen mit Spielern aus unterschiedlichsten Ligen, über ihr Gehalt und das Gemeinschaftsgefühl im Verein und betrachten die fragwürdigen Zahlungsmethoden und mögliche Gefahren in vielen deutschen Vereinen.

Herausforderung 2: Die Bezahlung – neue Dimensionen im Amateurfußball

Ein großer deutscher Profiverein kann ohne Sponsoren überhaupt nicht existieren. Spieler und Trainer müssen bezahlt, Trikots produziert und Auswärtsreisen finanziert werden. Doch auch kleine Dorfvereine brauchen finanzielle Unterstützung, um ein bestmögliches Angebot zu schaffen. Viele private Investoren versuchen Vereinen in der Umgebung zu helfen und so den lokalen Fußball und ihre Herzensvereine zu stärken. Doch an vielen Orten scheint die Grenze zwischen Unterstützung und Einmischung langsam zu verschwimmen. Investoren pumpen viel Geld in die Vereine und versuchen so auch den sportlichen Erfolg zu erzwingen. Immer mehr Vereine sehen die Bezahlung der Spieler als einzige Lösung, um konkurrenzfähig zu bleiben oder besser zu werden.

1 Milliarde Euro an Gehältern im Amateurbereich!

Laut einer deutschlandweiten Umfrage von CORRECT.IV, die Anfang diesen Jahres in Zusammenarbeit mit der ARD veröffentlicht wurde, werden in Deutschland jährlich rund eine Milliarde Euro an Spieler und Trainer im Amateurbereich gezahlt. Die Ergebnisse, der Umfrage, die über ein Jahr lief, deckten schockierende Zahlen auf. Die Hälfte der Gehälter, sprich 500 Millionen Euro, werden dabei an der Steuer vorbeigeschleust. Dieses Schwarzgeld wird zum Teil als Bargeld übergeben, aber um die Nachverfolgung der Geldströme noch komplizierter zu machen, werden Vereine immer kreativer. So werden Scheinanstellungen, Dienstleistungen oder Wohnräume als finanzielle Entlohnung der Spieler angeboten. Doch woher kommt eigentlich das ganze Geld?

Der Amateurfußball lebt grundsätzlich von Vereinsbeiträgen, Spenden und Ticketverkäufen an Spieltagen. Jedoch versuchen Vereine durch Sponsoren und Investoren mehr Geld in die Kassen zu spülen. Investoren, die in kleine Amateurvereine investieren, haben im Regelfall eine emotionale Bindung zum Verein. Sie helfen, weil sie den Verein mögen und unterstützen wollen. Allerdings werden die investierten Summen immer höher und viele der kleinen Abramowitsch`s wollen auch sportliche Entscheidungen treffen.

Mögliche Gefahren

Nun sollten sich eigentlich kleine Vereine über die finanzielle Unterstützung freuen, oder? Im ersten Moment ist den Vereinen auf jeden Fall geholfen. Mehr Geld schießt nicht direkt mehr Tore. Aber gerade in den niedrigen Ligen, kann ein Verein sich doch bessere Spieler, Trainer und Trainingsmaterial leisten. Und das führt dann doch irgendwie recht schnell zu sportlichem Erfolg. Außerdem ist es für die Umgebung von Vorteil, wenn ein Verein seine Mannschaften in die höchsten Ligen führen kann. Dinge wie Vereinskultur, Zusammenhalt und dem Bierchen nach dem Derbysieg scheinen jedoch erstmal in den Hintergrund zu geraten.

Geht die Vereinskultur verloren?

Doch Spieler, die finanziell entlohnt werden, scheinen immer weniger emotionale Bindung zu den Mannschaftskameraden und auch zu den Jugendmannschaften aufzubauen. Gerade für junge Spieler ist es wichtig, die Vorbilder aus der ersten Mannschaft auch kennenzulernen, schließlich wollen die Nachwuchskicker auch mal in der aktiven Herrenmannschaft spielen. Aber dort endet die positive Sicht auf die Geldspritzen von Investoren ein Stück weit. Denn viele Spieler wechseln überwiegend aus finanziellen Gründen zu einem neuen Verein, müssen dort dann Leistung bringen und nach dem Training oft noch über eine Stunde nach Hause fahren. Denn Sie kommen ja gar nicht aus dem selben Dorf. Nix mit lecker Bierchen und beisammensitzen nach jeder Einheit!

Dazu kommt, dass Vereine mit starken, großen Sponsoren und Investoren meist in der eigenen Liga einkaufen, da die Spieler im Normalfall nicht den Wohnort wechseln können oder wollen. Daher guckt man sich beim Tabellennachbarn um. Und wenn man dann dem besten Spieler des Gegners einen Vertrag anbietet, bei dem er doppelt soviel verdient, hat man die eigene Mannschaft verbessert und gleichzeitig die Konkurrenz geschwächt. Win-Win quasi. Der Wettbewerb ist damit allerdings nicht mehr rein sportlich, sondern zunehmend auch finanziell. Doch aussteigen aus diesem Hamsterrad, also Spieler nicht oder nur wenig zu bezahlen, ist schwierig. Denn dann verliert man den sportlichen Anschluss.

Was ist überhaupt erlaubt?

Laut DFB, darf ein deutscher Amateurspieler, der keinen Vertrag besitzt, nicht mehr als 249,99 Euro pro Monat „verdienen“. Dabei handle es sich um eine „Aufwendungsentschädigung“, die Fahrtkosten und andere Kosten des Spielers (neue Fußballschuhe, etc.) abdecken soll. Wenn ein Verein einem Spieler mehr Geld zahlen möchte, muss er diesen mit einem „Amateurvertrag“ ausstatten. Da in diesem Fall jedoch Steuern und soziale Abgaben auf den Spieler zukommen würden, entscheiden sich viele Vereine für „alternative“ Ideen.

Jobs für die Freundin oder eine neue Wohnung

Um Spieler über ihre Aufwendungsentschädigung hinaus zu entlohnen, fallen den Vereinen und Investoren immer neue Lösungen ein. In der ARD-Dokumentation zum Thema Geld im Amateurfußball, wurden diverse Bezahlmethoden aufgedeckt. Spieler erhalten Bargeldumschläge im Vereinsheim, werden im Verein als Trainer angestellt, trainieren jedoch gar keine Mannschaft. Und sogar die Freundinnen mancher Spieler nehmen eine Scheinanstellung im Betrieb des Hauptsponsors an, heißt es in der Umfrage von CORRECT.IV, welche Grundlage für die ARD-Doku war. Darüber hinaus werden bei Vertragsverhandlungen Wohnräume, Autofinanzierungen oder Ausbildungsplätze angeboten, alles um den Spieler irgendwie mit materiellen Argumenten zu überzeugen.

Was, wenn der Geldhahn zugedreht wird?

Solange das Geld fließt, kann auch dem sportlichen Erfolg wenig im Wege stehen. Neue Spieler werden geholt, der Verein wird populärer, neue Trainer und auch Fans etablieren sich. Doch wenn aus unterschiedlichsten Gründen Investoren ihr Engagement beenden, fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Spieler verlassen den Verein, Trainer können nicht länger bezahlt werden und neu erworbene Trainingsmaterialien verkommen. Auch im Profisport sind viele Vereine durch recht spontane Rückzüge der Investoren schnell einige Ligen abgestiegen. Und in solchen Vereinen gibt es noch deutlich größere Rücklagen, als im Dorfverein um die Ecke. Eine große Gefahr am Geld der Investoren ist also, dass es jederzeit nicht mehr überwiesen werden kann. Und dann haben Vereine ganz alleine mit den Auswirkungen zu kämpfen.

Über das Geld spricht keiner gerne

Zwar ist den meisten Spielern, Trainern und auch den DFB-Verantwortlichen klar, dass ein Problem existiert, jedoch kann man es nicht intensiv genug verfolgen. Viele Spieler geben nicht genau an, ob und wieviel sie verdienen. Der hessische Verbandsliga-Spieler Marlon Klärner geht offen damit um. In seiner Mannschaft werden die meisten Spieler finanziell entlohnt. Einige haben Amateurverträge, andere nicht. Dies sei in der Liga allerdings „normal“. In seinem Verein ist die Kameradschaft jedoch trotzdem deutlich zu spüren, von der fehlenden Emotion und Kampfbereitschaft, spürt der 25-jährige wenig. Der Stürmer gab zudem an, dass das Geld bei jedem Aufstieg wichtiger wurde. Je höher die Liga, desto mehr Geld musste aufgebracht werden, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Marlon Klärner ist dennoch der Überzeugung, dass Geld eine zu große Rolle spielt. Er selbst habe viele Spieler in der Umgebung beobachtet, die jedes Jahr den Verein gewechselt haben. „Da kann es nicht nicht ums Geld gehen“, führt er weiter aus. Viele weitere Spieler, die angefragt wurden, wollen zu Ihren Wechselgründen keine Angabe machen, meist habe das „Gesamtpaket“ gestimmt. Viele Amateure haben trotzdem den Gedanken an den Teamgeist und die Liebe für den Verein nicht verloren. Für Klärner komme ein Wechsel innerhalb der Liga oder sogar in eine niedrigere Liga, nur um mehr Geld zu verdienen, nicht in Frage.

Siegprämien schon in der achten hessischen Liga

In der ARD-Dokumentation (Milliardenspiel Amateurfußball) wurden Zahlen veröffentlicht, welche die Bezahlkultur nochmals verdeutlichen. In einer, extra für die Dokumentation durchgeführten Umfrage, gaben mehr als 60% der männlichen Befragten an, mindestens einmal in Ihrer Fußballerkarriere Geld erhalten zu haben. Dabei spielt die Liga scheinbar nur eine Rolle, wenn es um den ausgehandelten Betrag der Bezahlung geht. Denn auch in den Kreisligen und Kreisklassen, werden Spieler bereits bezahlt.

Ein weiterer Interview-Partner aus der Kreisoberliga im Norden Hessens, der KICK.TV um Anonymität bat, gab an, dass sein Verein bereits in der achten Liga Siegprämien ausschüttet. Leistungsträger bekämen sogar ein Festgehalt. Auch dort scheint sich eine Herausforderung zu entwickeln. Je besser deine Leistung für den Verein, desto mehr Geld bekommst du. Eigentlich eine logische Regel, aber viele Spieler werden so als weniger wertvoll dargestellt. Und in einer Fußballmannschaft sind alle Spieler Teil des Teams und somit unersetzlich. Auch verlor der Verein, so der anonyme Befragte weiter, in den letzten Jahren einige Leistungsträger an Vereine, die mehr bezahlten und sich nicht immer in einer besseren sportlichen Situation befanden. Ein Wechsel zu einem ähnlich erfolgreichen Verein, nur aus finanziellen Gründen, scheint also immer beliebter zu werden.

„Früher hat auch die Kiste Bier in der Kabine gereicht!“

„Ein Verein ist meiner Ansicht nach eine Institution, in der man sich freiwillig trifft um Spaß zu haben und gemeinsam zu kicken!“, sagt der 39-jährige Stefan Horne, Spieler und ehemaliger Trainer aus Hessen. Laut ihm sei die Bezahlung von Spielern aber durch das Vorbild der Profis zu populär geworden. Kultur und Identifikation sei früher noch viel mehr spürbar gewesen, zu seiner Zeit haben Spieler nicht aus Geldgründen Vereinswechsel vollzogen. Es ging viel mehr um „die Gemeinschaft“ und zusammen Erfolge zu erkämpfen. Der Weg, sportlich nach Erfolg zu streben und also auf das Leistungsprinzip zu bauen, sei dabei nicht der falsche. Aber dann wird von den Spielern „eine andere Leistung erwartet“.

Wenn Vereine behaupten, ohne Geld sind wir nicht mehr in der Lage sportlich aufzusteigen oder mitzuhalten, dann „ist das halt so“, sagt Horne. Es sollte nicht darum gehen, auf Biegen und Brechen sportlich aufzusteigen! Können Vereine, die kein Geld zahlen, dann aber überhaupt noch 11 Spieler auf den Platz bringen? Horne sagt „Ja, das glaube ich schon!“ Die Lösung liege auf der Hand: Einfach nicht mehr Zahlen, und damit offen umgehen. Horne, der selbst in der Kreisliga C aktiv ist, glaubt durch diesen einfachen Weg einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Darüber hinaus gäbe es genug Möglichkeiten, den Aufwand, den die Spieler betreiben, anders zu „belohnen“, als durch bares Geld. In seiner aktiven Trainerzeit stand dann bei einem Sieg „das Bier kostenlos zu Verfügung.“ Und das hat dann gereicht, um die Leistung der Spieler wertzuschätzen.

Bezahlung ein Teufelskreis?

Sportlich ambitionierte Vereine müssen sich also der Konkurrenz anpassen, um höhere Ziele zu erreichen. Somit kann sich nicht von alleine ein Rückgang der Spielergehälter entwickeln, dafür müsste es genauere Überwachungen und Kontrollen geben, für die dem DFB und den Verbänden, laut eigenen Aussagen, die Mitarbeiter fehlen. Somit bleibt den Vereinen und Spielern nur die Möglichkeit entweder Teil des Teufelskreises zu bleiben, oder durch das Beenden der Bezahlung einen sportlichen Abstieg hinzunehmen. Doch jeder Amateurkicker weiß, selbst wenn Geld eine Rolle spielt, gibt es nichts wertvolleres als Mannschaftskameraden und das gemeinsame Kicken und Spaß haben.

Nächste Woche: Jugendförderung

Das Thema Geld und Bezahlung spielt also auch außerhalb des professionellen Fußballs eine immer größere Rolle. Allerdings geht es letzten Endes allen nur um den Fußball und die Freude am Sport. Die Rahmenbedingungen sind nicht Schuld des Einzelnen, sondern ein Problem der Gemeinschaft geworden. Wenn du mehr über die Herausforderungen des Amateurfußballs lesen willst, dann schau auf unserer Website www.kick.tv vorbei und folge uns auf Instagram und Facebook! Nicht nur die Gehälter nehmen professionelle Strukturen an, auch die Nachwuchsförderung wird immer kälter und ein Kampf um die begehrten Plätze im Profifußball. Nächste Woche geht es weiter mit der Arbeit, die die Basis des deutschen Fußballs abbildet: Der Nachwuchsförderung!