Zwölf Jahre lang liefen Lars und Sven Bender in der Bundesliga auf. Ob Seite an Seite bei Bayer Leverkusen oder als Gegenspieler, die Zwillinge wussten stets zu überzeugen. Auf der Sechser-Position schafften es beide, sich in der Bundesliga durchzusetzen und zu festen Größen zweier Spitzenteams zu werden. Nach ihren eindrucksvollen Karrieren mit jeweils mehr als 400 Profispiel-Einsätzen sorgten beide mit einer überraschenden Entscheidung für Aufsehen. Anfang August gaben sie gemeinsam ihr Comeback bei ihrem ehemaligen Jugendverein, dem TSV Brannenburg. Von der Bundesliga in die bayrische Kreisklasse. Tore und Bierkisten tragen zählen jetzt zum sportlichen Alltag der Ex-Profis. Für die bodenständigen Mittelfeldspieler kein Problem. Wie sie vom Amateurklub den Sprung in die Spitzenklasse schafften und warum sie heute wieder in die Heimat zurückgekehrt sind, erfährst du hier. Ein Portrait zweier Brüder, die einzigartig im deutschen Fußball sind: Die Bender-Zwillinge.

Der Weg der Bender-Brüder

Wie so vieles im Werdegang der beiden Brüder, teilen sich Sven und Lars Bender auch ihren Geburtstag. Am 27. April 1989 kamen die Zwillinge zur Welt und es dauerte keine vier Jahre, bis ihre frühe Fußballbegeisterung den Grundstein für zwei eindrucksvolle Karrieren legte. In unmittelbarer Nähe des Sportgeländes vom TSV Brannenburg aufgewachsen, verbrachten beide einen Großteil ihrer Freizeit auf dem Fußballplatz. Ihr außergewöhnliches Talent zeigte sich schon in der F-Jugend. Im Schnitt gingen neun von zehn Toren ihres TSV auf das Konto der Benders. Im Alleingang schossen sie ihr Team zur Meisterschaft.

Mit elf Jahren machten Lars und Sven den nächsten Schritt. Nach drei erfolgreichen Jahren in Juniorenteams der SpVgg Unterhaching wurde dann der Traditionsklub 1860 München auf das Mittelfeld-Duo aufmerksam. Hier erfuhren beide weiteren Feinschliff durch gut ausgebildete Jugendtrainer. In dem professionellen Umfeld an der Grünwalder Straße reiften sie zu hochtalentierten Nachwuchsspielern heran, was auch dem DFB nicht verborgen blieb. Die erste Berufung in einer deutschen Auswahl, der U16-Nationalmannschaft, erfolgte für die ähnlich spielenden Sechser.

Der erste Profivertrag bei 1860 München – Ein gemeinsamer Werdegang

In den Folgejahren durchliefen die „Benders“ weitere Auswahlen des DFB und der Löwen. Dabei feierten sie auch erste Erfolge, wie die Meisterschaft der B-Junioren 2006. Trotz früher Doppelbelastung verloren die Zwillinge nie den Draht zu ihrer Heimat in Brannenburg. Nach wie vor waren sie der Gemeinde im Landkreis Rosenheim und dem dortigen Familien- und Freundeskreis sehr verbunden. Einer der Gründe, warum erste internationale Anfragen für die beiden abgelehnt wurden. Man entschied sich 2007 für das Angebot des Zweitligisten 1860 München, wo sich eine gute Perspektive für dessen Profimannschaft auftat.

Der erste Profivertrag war unterschrieben und die Fritz-Walter-Medaillen in Gold (Lars) und Bronze (Sven) in der Tasche. Schnell avancierten die Zwillinge bei den Löwen zu wichtigen Bestandteilen der Mannschaft. Die Spiel- und Wettkampfpraxis, die sie in der 2. Bundesliga sammelten, half ihnen auch bei der U19-Nationalmannschaft. Nicht nur, dass beide jeweils für kurze Zeit Kapitän der Juniorenelf waren, sie hatten auch großen Anteil am Europameistertitel 2008 in Tschechien. Der erste bedeutende Titel machte die Brannenburger noch begehrter, als ohnehin schon.

Der Sprung in die Bundesliga – Lars und Sven Bender gehen erstmals getrennte Wege

So kamen zwei hochkarätige Offerten, die keiner der beiden ablehnen konnte. Zur Saison 2009/10 wechselte Sven Bender zu Borussia Dortmund, wenige Monate später folgte Lars Bender dem Ruf aus Leverkusen. Die Brüder waren endgültig im Spitzenfußball angekommen und enttäuschten auch ihre neuen Arbeitgeber nicht.

Trotz der hohen Konkurrenz auf seiner Position setzte sich der junge Lars Bender bei Bayer durch. Er sollte ein ganzes Jahrzehnt mitprägen und war bis kurz vor seinem Karriereende 2021 unumstrittener Stammspieler. 2015 übernahm er zudem das Kapitänsamt von Vorgänger Simon Rolfes. Insgesamt kam der ehemalige Nationalspieler auf 342 Pflichtspieleinsätze für Bayer 04 in der Bundesliga, internationalen Wettbewerben und dem DFB-Pokal. 19 Mal lief er zudem für die A-Nationalmannschaft Deutschlands auf, in denen ihm vier Tore gelangen. Ein Höhepunkt war der Silbermedaillen-Gewinn bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio, wo er gemeinsam mit seinem Bruder die junge Nachwuchself bis ins Finale führte.

Sven Bender hatte es beim starbesetzten BVB zunächst nicht leicht. Profitieren sollte er aber von der Verletzung des Spielführers Sebastian Kehl. Der damals 20-jährige Brannenburger ersetzte ihn auf der Sechser-Position und überzeugte. Unter Trainer Jürgen Klopp entwickelte er sich zum absoluten Stammspieler und verhalf den Dortmundern zu zwei Meistertiteln hintereinander. 2011/2012 feierte er mit Schwarz-Gelb außerdem den Gewinn des DFB-Pokals, welchen er 2017 nochmals in die Luft strecken durfte. Unvergessen dabei seine spektakuläre Abwehraktion auf der Linie im Halbfinale gegen den FC Bayern München. Die Niederlage im Endspiel der Champions League 2013 konnte aber auch er nicht verhindern. Nach acht erfolgreichen Jahren im Ruhrgebiet forcierte er nach 224 Einsätzen für den BVB den Wechsel zum Klub seines Bruders, Bayer 04 Leverkusen. Hier sollte er bis zu diesem Jahr gemeinsam mit Lars Bender ein solides Mittelfeld-Duo bilden.

Die Rückkehr in die Heimat – Kicken im Amateurfußball statt Leiden in der Bundesliga

Im Alter von 32 Jahren entschieden sich die Bender-Zwillinge dazu, ihre Verträge nicht zu verlängern. Grund dafür war unter anderem die Knieverletzung von Lars: „Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir noch jeden Tag unsere Leistung abrufen können. Für uns hätte es sich so angefühlt, als würden wir uns selbst ein bisschen betrügen“, sagten sie in der „ran bundesliga Webshow“. Im letzten Saisonspiel von Bayer 04 kamen beide aber noch einmal zum Einsatz. Sven Bender stand gegen Ex-Klub Borussia Dortmund 89 Minuten auf dem Feld. Sein eigentlich verletzter Bruder wurde für die letzten Minuten für ihn eingewechselt. Einen kurz zuvor gepfiffenen Elfmeter für Bayer verwandelte der langjährige Werkself-Spieler und rundete den Abschied der Brannenburger somit perfekt ab. Nach 12 Jahren Bundesliga sollte ein weiteres Kapitel in ihrem Werdegang beginnen.

Profikarriere beendet, Fußballkarriere auch? Vorerst keine Option für die Bender-Zwillinge. Vielmehr durften sich Anfang August 450 Fans des TSV Brannenburg, dem Jugendverein der Benders, über das überraschende Comeback der Brüder freuen. Intern stand der Transferdoppelpack schon länger fest, beide trainierten auch schon seit Wochen beim Kreisklasse-Klub aus Bayern mit. Die Öffentlichkeit bekam davon aber nichts mit. Und so standen die Spieler des Gegners ASV Flintsbach am ersten Spieltag der neuen Saison plötzlich geballter Bundesliga-Erfahrung von 521 Spielen gegenüber. Für die meisten Beteiligten eine Sensation, für Brannenburgs Spielleiter Marc Wolf gar kein so ungewohntes Bild: „Es war Normalität, dass die Beiden beim Verein präsent sind, auch schon zu Profizeiten.“ Als Beispiel führt Wolf die von den Benders organisierten Jugendturniere an.

Ein Bundesliga-Duo in der Kreisklasse – Mit KICK.TV dranbleiben

Das Debüt glückte dank eines 5:2-Erfolges der blauweißen Brannenburger. In die Torschützenliste konnte sich aber einer der beiden erst am zweiten Spieltag eintragen. Gegen den WSV Samerberg traf Sven Bender zum zwischenzeitlichen 3:0. „Es macht unheimlich Spaß. Wir wollen auch der Region etwas zurückgeben“, sagte er bei ran. Der zweite Sieg im zweiten Spiel bedeutet Platz Eins in der Tabelle der Kreisklasse 1 Inn/Salzach. Auch neben dem Platz haben sich Lars und Sven Bender hervorragend integriert: „Sie haben schon einen Kasten Bier in die Kabine gestellt, tragen ganz selbstverständlich die Tore und setzen sich auch auf den Rasenmäher, wenn es sein muss.“

Für mediale Aufmerksamkeit sorgte der Wechsel allemal, auch sportlich hofft man durch die Erfahrung der Benders auf eine Weiterentwicklung des gesamten Teams. Zumindest ein Motivationsschub war sofort zu erkennen: „Vor Corona waren teilweise acht Mann im Training, jetzt sind es 35“, erzählt Spielleiter Wolf. Für den Verein sind die Neuverpflichtungen eine Chance, einen großen Schritt in allen Bereichen zu machen. Besonders die Jugendarbeit sollen und wollen die Brüder fördern. Die Zwillinge selbst sind froh, wieder zuhause zu sein. Soviel hat sich nach 21 Jahren auch gar nicht verändert. Mit den Rückennummern 7 (Sven) und 8 (Lars), die sie schon in der E-Jugend getragen haben, spielen sie Seite an Seite mit alten Mannschaftskollegen und Freunden.

„Da haben wir noch einiges aufzuholen“

Alte und neue Weggefährten beim TSV Brannenburg, die nie den Sprung in den Profifußball schafften, werden auf dem Platz von den Benders lernen. In der dritten Halbzeit allerdings revanchieren sie sich dafür. Denn so manche Hilfe brauchen auch die Zwillinge nun: „Ein Tragerl Bier steht immer da. Wenn du da nach dem Spiel mal ne ‚Halbe‘ trinkst, wird man nicht negativ beäugt, dann wird einem gleich die zweite angeboten“, so Lars Bender. „Da haben wir noch einiges aufzuholen. Es ist also so, dass die Jungs uns auch noch was beibringen können.“

Es scheint, als würden alle vom Comeback der Benders profitieren. Die Marke von 450 Zuschauern dürfte bald getoppt werden, auch wenn das kein Vergleich zu 80.000 in Dortmund sein wird. Für die Brüder zählt aber nur das Fußballspielen. Das ist ihre Leidenschaft. Und vielleicht verhelfen sie ihrem Jugendklub ja nebenbei zum Aufstieg und machen andere Nachwuchskicker besser. Wenn du die Ex-Bundesliga-Profis nochmal auf dem Rasen sehen möchtest, dann bleib mit uns dran. Wir verfolgen den TSV Brannenburg, seine weitere Entwicklung und die neue Saison. Das ist KICK.TV, Deutschlands größte Videoplattform für den Amateurfußball.